Richard Rendl

Burghart Schmidt ist Professor für Sprache und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in
Offenbach am Main.


Burghart Schmidt

Geheimgeschichte des Ornaments?

Begegnet man den Tafelbildern Richard Rendls aus den letzten Jahren, so steht man vor der Darstellung des aufwendigen, hoch ins Komplexe getriebenen, aber reinen Ornaments. Zwar kommt es über Spiralisierungen zu Schneckenhausformen, über Kreissegemente zu architektonischen Bogenlandschaften, Kreisschachtelungen zu Kugeleindrücken, durch sich schneidende und überlappende Kurven zu Eindrücken von Vegetabilischem, das alles aber in abstrakter Konstruktion von Symmetrien und Symmetrieverletzungen über die gesamten Tafeln. Darstellung des Ornamentalen, das ist freilich etwas Anderes als das Ornamentale in Funktion. In Funktion hat das Ornamentale immer eine Zeiget, eine Demonstration ausgeübt, in der es auf Anderes als es selber verwies, selbst wenn das Ornamentale rein ganze Wände bedeckte, wie in der islamischen Kunst. Dann verwies es auf die architektonischen Raumstrukturen oder die geheiligten Symboliken der Architekturen, es verwies auf den Zeichencharakter der Wände.

In Rendls Tafeln verweist das Ornamentale bei erstem Eindruck nur auf sich selber. Damit besteht Anspielung auf eines der neuen Themen, denen der Jugendstil zum Durchbruch verhalf. Im Jugendstil wurde das Ornamentale zum Darstellungsthema selber. Man denke an die Klimt-Bilder, die gerade noch die Bekleidung, das Textil zum natural-mimetischen Vorwand nahmen, um nahezu die gesamte Bildfläche mit einem ornamentalen System auszufüllen. Doch der Jugendstil thematisierte das Ornamentale, um in ablehnender Haltung zum Ornamenttriumph im Historismus den Aufbruch zu beginnen ins neue Ornament, das noch erst zu erfinden wäre. Rendl hat keine Scheu davor, uralte Ornamentstrukturen, Ornamentmuster wiederzubringen.

Postmoderne Einflüsse eines Neo-neo- Historismus? Nein, das Historische gerade in postmoderner Wiederauflage, aber auch am Erstzeitort der sogenannten Gründerjahre, bediente sich fast ausschließlich bei offensichtlich bewährten Rhethoriken des Ornamentalen. Denn der originale Historismus wollte sozusagen kunstpropagandistisch die notleidende Arbeitermassen des 19. Jahrhunderts betören und einschüchtern. Die Postmoderne heute ist hinter Einschaltquoten und ihrer Mentalität her. Auf beide Kundschaften zielt Rendl am allerwenigsten.

In ihr taucht eher die Geheimgeschichte des Ornaments auf, seine anschauliche Geordnetheit durch Maßprobleme Heiliger Mathematik bis in die Kabbalistische Traditionen. Mit dem Klassischen Ornamentalen hat die Zitation der Untergrundgeschichte des Ornamentalen bei Rendl höchstens die hohe Betonung des Symmetrischen gemeinsam, die allerdings durch Vorliebe für Beugungs- und Kurvensymmetrien vom einfach Klassische schon wieder abweicht. Wo Rendl dann aber besonders die Symmetrien selber ins Ungleichgewicht treibt, da rechtfertigt er diese ungleichmäßige Beunruhigung mitten in gleichmäßigen Dynamiken des Beugens wie Kurvens durch Einmontieren von Schriftbildlichkeit. Und diese gewinnt er wiederum wie die Maßverhältnisse des Ornamentalen aus religiöser Symbolgeschichte.

Und doch handelt es sich dadurch nicht um religiöse Kunst. Es wird vielmehr mit überlieferten Strukturen des Religiösen diskutiert bis in die Anspielung darauf, zu fragen wieviel Sakralität denn in unserer Mathematik noch immer stecke. Daß 1 + 1 gleich 2 sei, muß man ja schließlich glauben wie eine religiöse Offenbarung. Und nach religiösen Strukturen zu fragen, heißt noch lange nicht, eine bestimmte Religion zu predigen.

In Rendls Bildern geht es vielmehr um die strukturale Wahrheit der Welt, in deren Beweglichkeit das Gestalthafte nur ganz vorübergehend auftaucht wie das Schäumen beweglichen Wassers. Und doch, dieses Schäumen des Gestalthaften zeigt sich als notwendig in aller Vorübergänglichkeit.

Immer wieder schlagen dem Betrachter die Strukturalitäten der Rendlschen Bildtafeln um zu Figuren.

Mag zudem sein, daß die aus uralten Ornamentstrukturen gewonnenen Zitationen alte Meditationserfahrungen, sei es über das Unbewußte, in den Betrachter einschleusen. Das wäre dann der Verständigungsweg über einen anderen Code und der Betrachter stünde vor lauter Meditationsbildern. In der Tat, die mir bekannt gemachten Meditationsbilder fernöstlicher Kunst hatten alle einen äußerst ornamentalen Charakter. Rendls Arbeiten höben dann künstlerische Meditationsgeschichte des sogenannten Abendlands ins Bewußtsein, dessen Kultur gewöhnlich für so unmeditativ gilt. Der Einspruch Rendls bedeutet dann eine weitere wichtige Einsicht, selbst wenn man sich in das Meditative nicht einzufühlen vermöchte, bei allem Appell ans Unbewußte.

Wien, 26. Juli 1999

Prof. Dr. Burghart Schmidt

Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main

Schloßstr. 31

D 63065 Offenbach am Main

 

 

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